|
Dirk Raulf Orchestra feat. Meret Becker & deep schrott: 60 minuten. flussabwärts
„Es gelingt mir garnicht oder nur mit Mühe, mich als Individuum wahrzunehmen, als eine Person, als ein Ich. Ich sehe mich eher als einen Ort, an dem vorübergehend gewisse Dinge geschehen. Und was ich geschrieben habe, das war sicher Ich zum Zeitpunkt, als ich es schrieb, aber gleich danach ist es nicht mehr Ich. Das ist wie Wasser, das durch ein Sieb fließt.“
(Claude Lèvi-Strauss)
60 MINUTEN. FLUSSABWÄRTS wurde als Auftragswerk der Marienthaler Festspiele am 30. August 2013 uraufgeführt. Es handelt sich um eine genau 60minütige Komposition, die symmetrisch aus 12 fünfminütigen Teilen und gleichzeitig 60 Minuten-Abschnitten besteht, die sich oft unmerklich und fließend, manchmal abrupt ablösen.
Dem Wasser ist das Werk thematisch gewidmet: WASSER ist das verbindende Element der Songs, die wie Treibgut in dem 60minütigen Fluss auftauchen und von Franz Schubert, Tom Waits, Björk, Brian Eno, Randy Newman oder Nick Cave stammen. Teils als Zitat, teils als Neuinterpretation bilden sie den thematischen Rahmen und fügen sich organisch in die 60minütige musikalische Fluss-Reise ein.
Die beiden musikalischen Grundmotive sind das Tempo 60, also ein Sekundentakt, der immer wieder das musikalische Geschehen auf verschiedenste Weise grundiert, sowie ein harmonisches Leitmotiv in Form einer abwärts kreisenden Spirale, das in immer neuen Variationen auftaucht.
Der Computer ist der musikalische Schrittmacher, immer wieder spürbar, oft aber auch unmerklich. Musikalische Themen, Ausbrüche, Lieder, Texte finden innerhalb des Spiels der Spiralen ihren Platz: Freiräume, Gegensätze, Reibungen, Brechungen. Variationen. Umdeutungen des Tempos, der Modi, der Taktarten. Ein fast mathematisch strenges System wird durch menschliches Musizieren an den Rand des Zusammenbruchs gebracht – und umgekehrt.
60 Minuten. 60 Stücke. 60 bpm. Ein Schlag pro Sekunde, wie der Sekundenzeiger einer Uhr.
3600 Sekunden. 3600 Herzschläge. Ruhepuls.
Mit der Zeit gehen. Aus der Zeit fallen. Mit der Zeit spielen. Spiel auf Zeit.
Songs, Grooves, Kompositionen, Improvisationen, Klanglandschaften. Texte und Assoziationen. Wasserbilder. Musik für eine Flussreise, für einen nie gesehenen Film.
Dirk Raulf
Foto: Volker Beushausen
Meret Becker
Stimme, miscellaneous instr.
Deep Schrott:
Wollie Kaiser – Saxophone, Flöten, Klarinetten
Andreas Kaling – Saxophone
Jan Klare – Saxophone, Flöten, Klarinetten
Dirk Raulf – Saxophone, Bassklarinette, Piano, Toy Piano, Leitung
sowie:
Frank Schulte – Elektronik, Video
Thorsten Drücker – Gitarre
Dirk Peter Kölsch – Schlagzeug
Video:
https://www.youtube.com/watch?v=cWnWYGtSAf4
|